glutenfreie Ernährung – was bringt’s?

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Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass jetzt einige LeserInnen (zumindest innerlich) die Augen verdrehen – ich kann es verstehen. Ich gehörte selbst zu jenen Menschen, die die glutenfreie Ernährung ohne handfeste medizinische Indikation eher als Freizeitbeschäftigung für Angehörige der First-World-Problem-Schicht ansahen.

Aber dann kam der Verdacht auf, dass ein Familienmitglied Gluten nicht verträgt, und ich stieß auf das Buch „Weizenwampe“ vom amerikanischen Kardiologen William Davis. Deshalb entschied ich mich, es einfach selbst einmal auszuprobieren. Also ließ ich zwei Monate lang Gluten-haltige Nahrung gänzlich weg.

Ich bin keine Ärztin, also werde ich nicht versuchen, im Detail zu erklären, warum William Davis und die VerfechterInnen der glutenfreien Ernährung der Ansicht sind, dass Gluten vom Teufel höchstpersönlich erschaffen wurde (ja, diesen Eindruck bekommt man, wenn man Davis‘ Buch liest!). Nur so viel: Im Wesentlichen hält Davis den Weizen von heute für nicht vergleichbar mit dem Weizen, den unsere (Ur-)Großeltern aßen. Die zahlreichen Züchtungen und genetischen Veränderungen hätten extrem negative Eigenschaften mit sich gebracht. Unter anderem würde Weizen buchstäblich süchtig machen und könne entzündliche Prozesse im Körper auslösen und damit eine Reihe von (autoimmun-)Erkrankungen. Vor allem aber sei glutenhaltiges Getreide und nicht Cholesterin in der Nahrung für die ansteigende Fettleibigkeit der Bevölkerung verantwortlich. Ganz grundsätzlich tritt Davis für eine kohlenhydratarme Ernährung ein.

Ich habe keine Ahnung, ob das, was Davis behauptet, Schwachsinn ist; Tatsache ist jedoch, dass die meisten SchulmedizinerInnen der Ansicht sind, dass eine glutenfreie Ernährung ohne Zöliakie keinen Sinn macht.

Aber gerade das reizte mich an meinem Experiment. Ich wollte am eigenen Leib erfahren, wie sich glutenfreie Ernährung auswirkt.

Wenn man plötzlich eine Gruppe von Nahrungsmitteln vollständig weglässt, erfordert dies auch eine Umstellung der Einkaufs- und Koch-Gewohnheiten. Für die weniger Informierten: Gluten ist in fast allen Mehl- und Getreidearten enthalten. Das heißt: Keine Pasta, keine Pizza, kein Brot und keinen (konventionellen) Kuchen. Hört sich für viele so an, als dürfte man 90% der Dinge, die man so zu sich nimmt, plötzlich nicht mehr essen.

In der ersten Woche tue ich mir tatsächlich ein bisschen schwer damit, aber nicht so schwer, wie ich erwartet hätte. Die einzige Veränderung, die ich nach Woche 1 feststelle ist, dass ich extrem schlechte Haut habe. Kann auch Zufall sein; oder aber wegen der Ernährungsumstellung. Jedenfalls esse ich mehr Fleisch und Milchprodukte als sonst.

Nach der zweiten Woche fällt mir auf, dass ich weniger Lust auf Süßes habe, und Kuchen oder Krapfen locken mich gar nicht. Meine Haut hat sich wieder normalisiert. Entgegen meiner Befürchtungen habe ich keinen Heißhunger auf Spaghetti oder Brot. Ich habe das Gefühl, dass mir die glutenfreie Ernährung gar nicht schwer fällt. Am unangenehmsten an der ganzen Geschichte ist eher, dass ich Leuten, die mir Kuchen oder ähnliches anbieten, erklären muss, warum ich ihn nicht essen möchte. Ich komme mir unhöflich vor.

Nach Woche drei habe ich das Gefühl, meine Ess- und Kochgewohnheiten so angepasst zu haben, dass ich nicht mehr groß nachdenken muss, bevor ich etwas in meinen Mund stecke. Es macht mir sogar Spaß, glutenfreie Alternativen zu überlegen. Und auch Essen gehen ist einfacher als erwartet. In den meisten österreichischen Lokalen sind glutenhaltige Speisen gekennzeichnet. Anders ist es, als ich einige Tage in Deutschland bin: dort muss ich oft nachfragen, aber selbst dann finde ich immer passendes und gutes Essen.

Die übrige Zeit vergeht wie im Flug ohne nennenswerte Ereignisse. Ich muss sagen, dass ich mich körperlich sehr gut fühle, aber ich weiß nicht, ob das Einbildung ist. Ich fühle mich nämlich auch sonst meistens gut.

Folgende Beobachtungen mache ich nach dem Ende der zwei Monate:

  • Ich achte generell mehr darauf, was ich esse.
  • Ich gebe mehr Geld für Essen aus. Sicherlich ein Nachteil; aber ich esse beispielsweise nicht mehr halbherzig die Spaghetti in der Kantine weil es eben nichts anderes gibt, sondern gehe öfters auswärts Essen zu Mittag. Die Nahrung, die ich zu mir nehme, ist definitiv von höherer Qualität. Diesen Umstand finde ich vorteilhaft.
  • Ich verbringe mehr Zeit mit Kochen. Das ist sicher für viele ein Nachteil, aber wenn man wie ich kochen liebt, bedeutet das mehr Zeit für ein Hobby.
  • Gewohnheiten kann man ändern und durch neue Gewohnheiten ersetzen: Ein selbst hergestelltes glutenfreies Müsli schmeckt genauso gut oder besser als das Marmeladenbrot zum Frühstück.
  • Ich fühle mich gut und habe nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlt.
  • Ich habe plötzlich den flachen Bauch, auf den ich davor monatelang vergeblich hingearbeitet hatte.

Wie bei so vielem im Leben bin ich auch hier der Ansicht, dass Prinzipien zwar Sinn machen, aber nicht aus rein dogmatischen Gründen eingehalten werden sollten. Auf die Ernährung umgelegt heiß das: Ich glaube nach meinem Experiment, dass die glutenfreie Ernährung sich positiv auf mein Wohlbefinden ausgewirkt hat. Aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem glutenfreien Weckerl bestehend aus einem Gemisch aus diversen dubiosen Mehlersatzstoffen, unaussprechlichen Verdickungsmitteln und Apfelfasern oder einem selbstgebackenen Brot, das genau vier Zutaten hat, nämlich Mehl, Wasser, Hefe und Salz, dann greife ich ohne eine Sekunde zu zögern zu dem Brot (außer natürlich, ich leide an Zöliakie).

Wenn die glutenfreie Ernährung dazu führt, dass man bewusster einkauft, kocht und isst, dann macht sie Sinn! Es fallen dann nämlich automatisch per se ungesunde Dinge weg wie der im Supermarkt gekaufte Kuchen, der hauptsächlich aus Weißmehl und Zucker besteht (und wenn wir uns ehrlich sind, auch meistens nicht wirklich schmeckt). William Davis empfiehlt übrigens in seinem Buch, Gluten ein für alle Mal aus seinem Leben zu streichen. Auch ein Stück Geburtstagstorte in Ausnahmefällen ist streng verboten. Ich finde diese Ansicht etwas übertrieben. Seit meinem Experiment ernähre ich mich überwiegend glutenfrei und habe noch keine Nachteile am gelegentlichen Stück Brot entdeckt.

Für mich lässt sich der Vorteil einer glutenfreien Ernährung folgendermaßen zusammenfassen: potentiell „Ungesundes“ wie Weißmehl wird durch nahrhafte Lebensmittel ersetzt. Es lässt sich vielleicht darüber streiten, ob Vollkornmehl gesund oder ungesund ist, aber ich denke es wird mir niemand widersprechen wenn ich behaupte, dass der Großteil der glutenhaltigen Lebensmittel im Alltag aus Weißmehl (und eben nicht aus Vollkornmehl) besteht. Ein Weglassen dieser Nahrungsmittel wird in den meisten Fällen positive Auswirkungen haben.

Wenn die glutenfreie Ernährung allerdings dazu führt, dass man Brot, Mehl, Kuchen und Pasta in der glutenfreien Convenience-Variation en masse shoppt, dann hat man meiner Ansicht nach am Ende des Tages einfach mehr Geld für schlechter schmeckende Produkte ausgegeben.

 

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